Einsiedlerkrebse by Ragde Anne B

Einsiedlerkrebse by Ragde Anne B

Autor:Ragde, Anne B. [Ragde, Anne B.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-04-28T22:00:00+00:00


Plötzlich sprang ein Hase auf die Straße, es ging um Zentimeter, als sie ihm auswich, aber im Spiegel sah sie, dass er ungestört und unversehrt weiterhoppelte. Zum Glück fuhr sie mit Schneeketten und hatte die vorderen Scheinwerfer gewaschen, hier gab es keine Straßenlaternen.

Sie nahm an, dass sie bei ihm übernachten würde, aber wenn er nachts arbeiten müsste...

Auch das war schon vorgekommen, dass abends für ihn eine E-Mail eingelaufen war und dass er diesen fernen Blick bekommen hatte. Den Geldblick, wie sie das insgeheim nannte. Wenn er wichtige E-Mails bekam, wurde das per SMS gemeldet, und sein Telefon schaltete er nur aus, wenn er mit den Hunden unterwegs war.

Gerade das konnte sie nicht verstehen. Er war doch aus dem Rattenrennen ausgestiegen, um sich den Hunden zu widmen. Sobald allerdings die Hunde im Hundehof standen und ihr Futter bekommen hatten, war er gleich wieder mit dem Kopf bei der Arbeit. War das Freiheit? Wenn irgendwo auf der Welt immer ein voller Arbeitstag war und er überall die Uhrzeit vor Ort kannte? Aber in den letzten vierzehn Tagen hatte sie nur drei Nächte in ihrem eigenen Bett verbracht, und sie trug ihn den ganzen Tag in Gedanken mit sich, wenn sie nicht zusammen waren. Sie erledigte jedoch ihre Pflichtanrufe bei der Mutter, ohne Christer zu erwähnen, und sie wiederholte bis zum Überdruss, dass Cissi sich besser fühlen würde, wenn sie und Gunnar das Haus verkauften und den Ertrag teilten. Dass es das Haus war, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte, war ihr nicht einen Gedanken wert. Sie war zu alt, um über sentimentale Werte aufzuheulen, obwohl es schon seltsam sein würde, den Dachboden auszuräumen, wo viele Kästen voller Kindheit standen. Schmusetiere und Kinderbücher, Schreib- und Zeichenhefte aus ihrer ganzen Schulzeit. Und auch Kleider, Skier und Schlittschuhe, Rodelbretter und ihr erster Schlitten, den Gunnar knallrot angestrichen hatte, damit er nicht gestohlen wurde.

Sie hatte seit dem Tag im Café, an dem er seine Verteidigungsrede gehalten hatte, nicht mehr mit Gunnar gesprochen. Sie brachte es nicht über sich, obwohl er mehrere Mitteilungen auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Sie begriff intuitiv, dass er sie in Bezug auf den Hausverkauf einspannen wollte. Er hätte wissen müssen, dass sie ihn ohnehin schon unterstützte. Die Mutter war eine gut aussehende Frau, wenn sie diese Verletzung erst einmal überwunden hätte, würde sie aufblühen, genau wie Gunnar gesagt hatte, sie würde vermutlich auch Arbeit finden, sie hatte wohlhabende Freundinnen, die mit Hobbyjobs in Kunstgalerien und kleinen Schmuckboutiquen herumpusselten und die außerdem über Rotary bei Inner Wheel wohltätige Arbeit leisteten. Sie würde nicht mit den Händen im Schoß sitzen bleiben, dazu war sie nicht der Typ. In all den Jahren ihres sogenannten »Hausfrauendaseins« hatte sie tausend Eisen im Feuer gehabt, unter anderem als Oslo-Führerin für zu Besuch weilende Frauenlogen und andere Gruppen dieser Art. Dafür ließ sie sich natürlich nicht bezahlen, weil sie ja gut versorgt war. Jetzt würde sie sich bezahlen lassen müssen. Sie braucht mir nicht leidzutun, tröstete Torunn sich zum soundsovielten Mal. Aber zu dieser Erkenntnis musste Cissi selbst gelangen.



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